Freitag, 22. Juli 2011

Kampf um Marktanteile zwischen E-Readern und Tablet-PCs

Was nun die Absatzprognosen anbelangt, so wird vor allem den Tablet-PCs – zu Ungunsten der E-Reader – ein heftiges Wachstum des Marktanteils vorhergesagt (so auch die E-Book-Studie des Börsenvereins vom Mai 2011, S. 68). Für die Tablet-PCs spricht auch das Gerücht, dass Amazon noch dieses Jahr einen eigenen Tablet-PC vorstellen wird.
Dem gegenüber steht der Bericht des Pew Research Center »E-reader Ownership Doubles in Six Months« vom Juni 2011 (http://pewinternet.org/Reports/2011/e-readers-and-tablets.aspx), der einen rasanten Anstieg der US-amerikanischen E-Reader-Verkäufe im ersten Halbjahr 2011 vermeldet (von 6% auf 12% Marktanteil), während bei den Tablet-Verkäufen nur ein Plus von 1% (von 7% auf 8%) zu verzeichnen ist. Auch auf der BookExpo America 2011 vom 23.–26. Mai in New York war viel die Rede von der Behauptungskraft der E-Ink-Reader gegenüber den Tablets und auch davon, dass sie von Viellesern bevorzugt werden.
Sobald es um absolute Zahlen geht, wird die Datenlage schwierig. Im Juli 2011 hat Apple allerdings weltweite Verkaufszahlen bekannt gegeben. Danach wurden im ersten Halbjahr 2011 verkauft: 13,9 Mio. iPads und 39
Mio. iPhones (Quelle: http://www.pcgameshardware.de/aid,834828/Apple-mit-Rekordquartal-dank-iPad-und-iPhone-5-Gruende-fuer-den-Erfolg/Multimeda/News/).
Amazon plant in 2011 rund 8 Mio. Kindle-Geräte weltweit abzusetzen, und die Marktforscher von IDC gehen insgesamt von 16,2 Mio. E-Ink-Geräten aus. Dem ist sicherlich auch Googles neuer E-Ink-Reader zuträglich.
Apples Vorsprung ist jedoch nach wie vor überdeutlich, auch wenn er etwas geringer geworden ist.

Weiterentwicklung bei den E-Readern

Die bekanntesten E-Ink-Reader sind nach wie vor die von Sony und Amazons Kindles. Nahezu alle namhaften Hersteller haben in letzter Zeit neue Modelle auf den Markt gebracht, darunter nicht zuletzt auch Kindle3. Weitere OEM-Geräte sind z.B. der Oyo von Thalia oder der Nook von Barnes & Nobles. Player, die neu in den (deutschen) Markt eintreten, sind Kobo und Google.
Bei all dieser wachsenden Gerätevielfalt ist es jedoch empfehlenswert, die jeweiligen Eigenschaften genau zu studieren, denn z.B. der Aluratek Libre (Weltbild) hat kein E-Ink-Display, sondern ein monochromones LCD-Display. Auch die farbigen Displays des NOOKcolor und des Trekstor eBook Players sind LCD-Displays und verfügen nicht über die günstigen Eigenschaften eines E-Ink-Displays.

Marktanteile der Smartphones

Bereits im 4. Quartal 2010 haben die Smartphones auf Android-Basis die Symbian-Smartphones in der weltweiten Verbreitung von Platz 1 verdrängt, nachdem sie bereits seit einiger Zeit bei den Neuverkäufen führend waren. Das meldet der Online-Dienst Publishing Perspektives am 31.1.2011 (http://publishingperspectives.com/2011/01/android-becomes-top-smartphone-platform-worldwide/).
Allein mit dem Betriebssystem Android 2 gibt es über 50 Modelle im deutschen Markt.
Was das Lesen von E-Books anbelangt, so kann es sein, dass die Smartphones über kurz oder lang eine sekundäre Rolle spielen werden. Immerhin haben im Prinzip alle Smartphone-Hersteller heute schon einen Tablet-PC im Programm.

Vielfalt der Betriebssysteme bei Tablet-PCs

Man kann davon ausgehen, dass alle großen Elektronikmarken einen Tablet-PC auf den Markt bringen werden. Apple als Marktführer setzt dabei weiter auf sein Betriebssystem iPhone OS und wird exklusiv Geräte mit diesem Betriebssystem anbieten. Eine ähnlich eng aufeinander abgestimmte Einheit von Hardware und Betriebssystem wie bei Apple gibt es noch bei Hewlett Packard mit seinem von Palm entwickelten Betriebssystem Web OS (HP Touchpad) und bei Research In Motion (Blackberry).
Firmen wie Samsung, Motorola, Sony u.a. setzen dagegen auf das offene Betriebssystem Android 3, das von der Open Handset Alliance (unter Führung von Google) auf Linuxbasis entwickelt wurde.
Es wird auch Tablet-PCs mit den Betriebssystemen Windows Phone7 geben (z.B. Hanvon TouchPad B10).

Neben dem iPad sind die beiden Android-Geräte Samsung Galaxy Tab und Motorola Xoom im Moment wohl die zur Zeit am weitesten verbreiteten Tablet-PCs auf dem deutschen Markt. Der WeTab von Neofonie ist wieder vom Markt verschwunden.
Tablet-PCs sind im Augenblick die Geräteklasse mit der größten Dynamik.

Die Unbequemlichkeit der Lesegeräte

Die E-Book-Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (»Umbruch auf dem Buchmarkt? Das E-Book in Deutschland«, Mai 2011) nennt als vorrangige Technikbarrieren der Konsumenten die Befürchtungen (in % der Befragten):
‒ reparaturanfällig und begrenzte Lebensdauer (85%),
‒ ungeeignet für die Nutzung jenseits des Schreibtischs bzw. outdoor (83%),
‒ zu hohe Anschaffungskosten (80%),
‒ vergessen, Akku aufzuladen (60%),
‒ mögliches Löschen von E-Books (65%).
Alle diese Angaben waren für 2011 leicht rückläufig im Vergleich zu den Vorjahren. Insgesamt dürfte jedoch klar sein, dass je bequemer und je simpler die Bedienung und das Aufladen (egal ob mit Strom oder Inhalten) der Lesegeräte ist, desto eher werden sie im Markt umfassend akzeptiert. Das hat der Erfolg von Apples iPad eindeutig bewiesen.

Sonntag, 10. Juli 2011

ePUB 3 – Eine kleine Übersicht

ePUB 3 ist keine einfache Weiterentwicklung des jetzt noch aktuellen ePUB 2-Standards. ePUB 3 ist eher eine kleine Revolution.
Wenn man sagt, dass ein ePUB eine gepackte Webseite ist, dann ist ePUB 2 eine mit sehr alter Technik, also XHTML und Teilen aus CSS 2.1 und ohne die Möglichkeiten von JavaScript. ePUB 3 hebt den Standard auf eine Stufe mit dem, was in der heutigen Webwelt passiert. Wir haben HTML5, weit mehr Möglichkeiten im CSS (auch wenn CSS3 nicht vollständig Teil des ePUB 3-Standards ist).
Ich habe versucht in dem Bild mit den vielen Kreisen den ePUB 3-Standard zu skizzieren. Das IDPF ist sich treu geblieben. ePUB ist weiterhin ein „best of breed“-Ansatz. Es werden bestehende, bewährte Standards zu einem neuen Standard zusammengeführt.

Zentraler Punkt des Wandels von ePUB 2 zu ePUB 3 ist die Ersetzung von XHTML durch HTML 5 (DTBook als DTD für die Textdaten im ePUB entfällt ganz).

HTML 5
Allseits bekannt und für viele in Hinblick auf enhanced E-Books die wichtigste Neuerung sind der audio- und der video-Tag, mit denen man jetzt einen Standard hat, entsprechende Daten einzubinden.
Ein weiteres bedeutendes Element von HTML 5 ist das canvas-Element. Dieses definiert eine Fläche, auf der mit Hilfe von JavaScript dynamische Bitmap-Grafiken gezeichnet werden können. Mit dieser Art, Animationen darzustellen, können proprietäre Technologien wie Flash im Web zum größten Teil ersetzt werden. Allerdings ist die Nutzung dieses Elements in ePUB-Dokumenten nicht unproblematisch. Die Dynamik lässt sich nicht auf allen Ausgabegeräten darstellen (kein Bewegtbild auf E-Ink-Geräten!) und es ist  ein Element, dass nur im Zusammenhang mit JavaScript Sinn macht.
Ein weiteres interessantes Element in HTML 5 ist das nav-Element. Nach Vorstellungen des IDPF soll es langfristig das NCX-Inhaltsverzeichnis ersetzen, das wir aus ePUB 2 kennen. NCX bleibt aber Teil des ePUB-Standards.
Interessant für einige E-Book-Anwendungen könnte auch die Geolocation-API des HTML 5-Standards sein. Die Nutzung setzt natürlich voraus, dass das E-Book-Lesegerät GPS oder eine ähnliche Technologie unterstützt.
Zusätzlich gibt es in HTML 5 auch neue Elemente, die eine bessere semantische Darstellung von Buchinhalten ermöglichen. Als Beispiel sei hier der aside-Tag genannt. Mit diesem lassen sich Nebenbemerkungen darstellen, die man mit Marginalien in einigen Büchern vergleichen könnte. Aber auch Inhalte aus Fußnoten könnten sich so darstellen lassen.
Als Teil des HTML 5-Standards wird auch MathML Einzug in den ePUB3-Standard erhalten. Der Vorteil hier ist, dass mathematische Ausdrücke als solche ausgezeichnet und von den Lesegeräten entsprechend dargestellt werden. Bisher konnten Formeln nur als Abbildungen in das Dokument eingebunden werden. Damit waren sie nicht durchsuchbar und nur sehr eingeschränkt skalierbar.
Es ist drauf zu achten, dass HTML 5 für ePUB nach den Regeln der XML-Syntax zu erfassen ist, während in der Browserversion Attribute wie z.B. autoplay ohne Attributwert sein können.

JavaScript
Schon erwähnt habe ich die Rolle von JavaScript für HTML-Features wie das canvas-Element. Aber auch viele andere Eigenschaften, wie die Nutzung von Popup-Fenstern u.Ä. sind ohne JavaScript nicht möglich.
JavaScript wird das ePUB-Format sehr weit öffnen und ePUBs vielfältiger machen. In der Textgestaltung können Textteile ausgeschaltet und eingeschaltet werden. Texte können in eigene Fenster gesetzt werden.
In der Funktionalität kann man echte Formulare bauen. E-Books bekommen so einen Rückkanal.
Wichtig ist zu erwähnen, dass JavaScript ein optionaler Bestandteil des ePUB 3-Standards ist. Das heißt, dass die Lesegeräte JavaScript nicht unterstützen müssen. Ich gehe aber davon aus, dass die wesentlichen Programme, die ePUB lesen JavaScript unterstützen werden.

CSS
Das IDPF sagt in seiner Spezifikation zu ePUB 3 ausdrücklich, dass das eingesetzte CSS auf dem CSS-Standard CSS 2.1 beruht. Aber auch das ist schon eine Verbesserung zu der aktuellen Situation, die den CSS 2-Standard nicht vollständig ins ePUB 2 übernommen hat.
Zusätzlich hat das IDPF auch einige Feature aus dem CSS 3-Standard übernommen. Dies sind z.B. CSS speech. Mit dieser Technologie kann, wenn diese auf den Geräten in entsprechender Qualität vorhanden ist, Text-to-speech-Technologie beeinflusst werden. Es gibt Einstellungen für voice family (männlich oder weiblich), voice volume (Lautstärke), Pausen vor oder nach Elemente u.Ä. Die Nutzung dieser Eigenschaften bedeuten ein ganz neues Betätigungsfeld für Autoren, Lektoren, etc. – nennen wir das neue Berufsbild einfach mal Text-to-speech-Dramaturg.
Abgesehen davon, dass mit allen Möglichkeiten aus CSS 2.1 und einigen Möglichkeiten aus CSS 3 ePUBs abwechslungsreicher und typografisch ansprechender gestaltet werden können, gibt den ePUB-Erstellern die Technologie der media-query sehr viele neue Möglichkeiten. Endlich kann die Gestaltung von ePUBs an Displayeigenschaften angepasst werden. Hier kann man bestimmte CSS-Eigenschaften an Displaygrößen, -farben, -auflösungen, -ausrichtung usw. anpassen. Das heißt zum Beispiel, dass bestimmte Inhalte für ein größeres Display wie das des iPad in der Potraitausrichtung mit einer Marginalspalte dargestellt sein können. Wenn man das iPad dann dreht und in iBooks die Doppelseitendarstellung erhält, werden diese, wie auch in der iPhone-Darstellung in Boxen in den Text integriert. Die Farben der Boxenhinterlegung werden für ein E-Ink-Gerät nicht automatisch in Grautöne verwandelt, die dann kaum noch unterscheidbar sind, sondern für die Darstellung auf diesen Geräten werden verschiedene Boxrahmen angewandt usw. Der Möglichkeiten gibt es dann viele. Das bedeutet natürlich auch größeren Aufwand oder weniger Einzeltitelgestaltung und dafür die Erstellung einer durchdachten CSS-Bibliothek für einen gesamten Verlag.

Metadaten
Metadaten können weiter wie bisher in der OPF-Datei des ePUBs angegeben werden. Allerdings gibt es in ePUB 3 auch die Möglichkeit die ONIX-Daten bzw. Metadaten in Adobe’s XMP-Format in den Container zu stellen und entsprechend darauf zu verweisen. Die Metadaten im ePUB selbst werden damit reicher. Es werden keine Metadaten über den ePUB-Container hinaus benötigt (denn Metadaten gehören nach meiner Überzeugung genauso zur Publikation, wie der eigentliche Content).

ePUB 3 bietet also sehr viele neue Möglichkeiten, die diesem Format dabei helfen werden, mehr darzustellen als die Umsetzung von gedruckten Inhalten auf unterschiedlichen Displays. Das ist natürlich eine technische Herausforderung. Weit größer ist aber aus meiner Sicht die Herausforderung für Verlage diese Möglichkeiten konzeptionell zu nutzen. Gerade als ich mir über die Möglichkeiten, einen Rückkanal im Buch zu nutzen, Gedanken gemacht habe, habe ich mich gefragt, was der Verlag mit den wertvollen Informationen, die die Leser ihm liefern, macht und wer damit umgehen wird …